"Denn ohne biografische Verknüpfung fehlt das echte Wissen zu Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft, das für eine wehrhafte Demokratie notwendig – wenn sie nicht sogar von ihm abhängig ist. Ohne diesen Zugang verharrt man beinahe in einer ethisch-moralischen Empörung über die politische Entwicklung, erlebt aber nicht die existenzielle Dringlichkeit, um tiefgreifende Maßnahmen durchzusetzen."
- kiwit.org

Was ist mit Ungarn los, Herr Steingart?

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30 Jahre 1989. Der Publizist und Ex-„Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart spricht über seinen ungarischen Vater, seine ostdeutsche Mutter und den Rechtsruck in Europa.

Gabor Steingart mag die zugespitzten Debatten, den amerikanischen Stil: „Wer eine prononcierte Meinung hat, muss mit Gegenwind rechnen.“ Seit seinem Aus beim „Handelsblatt“ baut der streitlustige Journalist sein eigenes Medienunternehmen „Media Pioneer“ auf. Das Papierzeitalter sei vorüber, sagt er. Und die Leserinnen und Leser wünschen sich heute Interaktion und Teilhabe. Sein tägliches Morning Briefing und den Podcast versteht der gebürtige Berliner als digitale Miniaturzeitung, bei der Meinungsvielfalt abgebildet werden soll: Er ließ den österreichischen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Wort kommen und trifft sich mit Linken-Politiker Gregor Gysi. Unser Treffen in Berlin sollte erst vor der EU-Wahl stattfinden. Dass sich der Fall der Berliner Mauer zum 30. Mal jährt, ist aber der bessere Anlass, um mit Gabor Steingart über seine Herkunft und die deutsche und ungarische Politik zu sprechen.


Sind Sie Viktor Orbán schon begegnet, Herr Steingart?

Ja. Vor drei, vier Jahren muss es gewesen sein.

Worüber haben Sie gesprochen?

Wir haben uns über die politische Lage ausgetauscht – es war kein richtiges Interview. Er hat mir über die Botschaft in Berlin signalisiert, dass er mich treffen möchte. Orbán spricht ein exzellentes Englisch.

Ich frage, weil viele nicht wissen: Ihr Vater Imre kam als politischer Flüchtling von Ungarn nach Deutschland.

Ja. Mein Vater gehörte zu den Beteiligten des Aufstands in Budapest 1956 gegen das kommunistische Regime, der von den russischen Panzern zerschlagen wurde. Unsere Familie stammt aus Győr, einer Industriestadt an der Raab. Mein Vater war damals auch einer derjenigen, die bewaffnet waren. Im Zentrum von Budapest stürzten sie die große Stalin-Büste vom Sockel. Eine Scherbe der Stalin-Büste befindet sich hier bei mir im Studio.

Er hatte sie aufbewahrt?

Und als ich Vater wurde, hat er sie mir geschenkt.

Was bedeutete die Scherbe für Sie?

Sie sollte mich daran erinnern und dazu verpflichten, dass der Widerstand gegen autoritäre Systeme nie ein Ende hat. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt: Das war das Motto meines Vaters. Und das ist auch meins.

Wie kam Ihr Vater in Deutschland zurecht?

Er wurde freundlich aufgenommen. „Asylbewerber“ war damals kein Schimpfwort in Deutschland. Er kam ja wie die politischen Flüchtlinge der Solidarność-Bewegung und des Prager Frühlings als katholisch geprägter Freiheitskämpfer – es gab keine Abstoßungsreaktionen bei den Deutschen. Im Gegenteil, es bildeten sich sehr schnell sehr enge Freundschaften. Mein Vater hat Sprachkurse besucht und Chemie studiert, hier in Berlin an der Technischen Universität.

Er wurde dann Fabrikchef in der Nähe von Fulda.

Das Werk in Neuhof war nicht seine erste und letzte Station. Er hat seinen Aufstieg in mehreren Städten gemacht. Deswegen mussten wir Berlin verlassen. Vom Assistenten zum Werksleiter.

Das hat Ihren Ehrgeiz angestachelt. „Unten sein, da will man nicht hin, wenn man eine Vorstellung hat, wo unten ist“, haben Sie einmal gesagt.

Wir konnten ja dank Willy Brandts Entspannungspolitik Anfang der Siebzigerjahre nach Ungarn fahren. Ich habe die Behausung gesehen, in der mein Vater groß geworden ist: mit acht Kindern in zwei Zimmern. Souterrain, wie man heute sagt – ich würde sagen: Kellerwohnung. Mein Großvater war Nachtwächter. Viele Mahlzeiten zog er mit der Angel aus der Donau. Ich durfte ihn in den Ferien begleiten. Mein Vater war der Erste, der studiert hat.

Hat ihn die Politik in Deutschland interessiert?

Er war interessiert, hat sich aber nicht eingemischt. Er sah sich als Gast in Deutschland, auch noch nach seiner Einbürgerung.


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Prägend: die Stalin-Scherbe seines Vaters.

»Zwischen der alten und neuen Realität fehlt bis heute ein ganzes Stück handfeste Kommunikation.«

Steingart sitzt im Garten seines Studios in Charlottenburg. Jeden Morgen kommentiert er von hier aus das politische Weltgeschehen. Früher tat er das als überzeugter – oder wie er sagt „gequälter“ – Nichtwähler. Vor der Bundestagswahl 2017 aber rief er zur Wahl auf. Mit der rechtspopulistischen AfD sei in Deutschland ein Monster um die Volksparteien entstanden: „Im Bundestag wird eine Partei vertreten sein, die den Weltkriegssoldaten als Helden und den Ausländer als Sündenbock betrachtet.“ Damit habe das Parteiensystem keine Alternative, sondern eine Missgeburt hervorgebracht. Steingart war überzeugt, dass eine Jamaika-Koalition Deutschland nicht ruinieren, sondern beleben würde. Umso enttäuschter war er, als die Sondierungsgespräche platzten.

Nach dem Streit in der Flüchtlingsfrage und dem Rechtsruck: Wäre mit Jamaika die Stimmung in Deutschland besser gewesen?

Jamaika wäre in jedem Fall die demokratischere Koalition gewesen. Die Große wird ab einem Zeitpunkt undemokratisch: Es tun sich zwei starke Parteien zusammen, die eigentlich Antagonisten sein sollten, und sie bilden de facto ein Kartell gegen die kleinen. Das ist in einer schwierigen Situation legitim, ja – aber nicht als Dauerzustand. Das trägt Züge des Autoritären.

Für das Erstarken der Rechten seien wirtschaftliche Ängste verantwortlich – diese Meinung hielt sich hartnäckig. Hat die Große Koalition die kulturellen Ängste unterschätzt?

Man kann nicht Jahrzehnte lang erzählen, Deutschland sei kein Einwanderungsland, und dann kommt plötzlich alles anders. Die Menschen fürchten einen kulturellen Verlust. Genauer: den Verlust ihrer bisher erlebten Realität. Zwischen der alten und neuen Realität fehlt bis heute ein ganzes Stück handfeste Kommunikation. Es ist nicht die Migration allein, die verunsichert. Es ist auch diese Unfähigkeit, offen über die Gründe und Folgen zu sprechen.

Bei den Kindern unter sechs Jahren in Deutschland haben vierzig Prozent mindestens ein Elternteil mit Migrationshintergrund. In der Politik und in den Medien herrschen noch monokulturelle Strukturen. So wurde doch versäumt, die sich verändernde Gesellschaft abzubilden.

Deswegen müssen wir von der deutschen Wirtschaft lernen. Dieses System ist – auch in den global aktiven Unternehmen – kulturell durchlässig. Es herrscht ein multinationales Denken – und die Herkunft verhindert nicht den Aufstieg. Kulturelle Andersartigkeit kann ein Wettbewerbsvorteil sein. Die Politik unterschätzt dieses Thema. Sie bearbeitet es nur rhetorisch.

Aber auch die soziale Mobilität in Deutschland ist katastrophal: Akademikerkinder studieren dreimal häufiger, nur fünfzehn Prozent der Arbeiterkinder beenden ein Studium. Warum tut sich Deutschland so schwer?

Wir haben es mit einer politischen Erstarrung zu tun. Das meine ich mit rhetorischem Regieren. Über jedes Thema wird gesprochen, in den Programmen stehen die wertvollsten Versprechungen – der Rohstoff dieses Landes befindet sich in den Köpfen unserer Kinder, heißt es doch immer wieder. Aber es fehlt die Energie, aus dem Sprechen heraus ein Handeln abzuleiten.

Als habe man ihn zum Vorbild genommen, sind viele EU-Länder auf den strikten Kurs von Ministerpräsident Viktor Orbán und seiner Fidesz-Partei in Ungarn eingeschwenkt. Wie erklären Sie das?

Ich sehe Orbán als einen Europäer, der in Konflikt mit der EU den Nationalstaat nicht abstreifen will. Dass er in seiner Ungarnliebe auch undemokratische Mittel wählt, steht außer Frage. Der Zweck heiligt diese Mittel, glaubt er. Die EU muss hier klug und strikt reagieren, was leichter klingt, als es ist.

Mit einer Kleinstaaterei hätte Europa wirtschaftlich keine Chance gegenüber den USA und China.

Deswegen glaube ich nicht, dass alle EU-Kritiker die Kleinstaaterei betreiben werden. Die ökonomische Rationalität schützt Europa: Polen, Tschechien, sie wissen ganz genau, dass die Handelsgespräche mit den USA nicht auf nationalstaatlicher, sondern auf EU-Ebene geführt werden. Auch Ungarn ist von ausländischen Investoren abhängig. Die teils allergischen Abwehrreaktionen gegen die Moderne werden nicht zurück ins Mittelalter führen. 


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Im Gespräch mit Gabor Steingart in Berlin.

Zurück zu Ihrem Vater: Wann trafen sich Ihre Eltern in Deutschland?

Als mein Vater mit dem Studium anfing, begegnete er relativ zügig einer emanzipierten Frau aus dem Ostteil Berlins – auf einer Party in der Technischen Universität. Wenig später wurde sie meine Mutter. Sie war sehr jung. Als ich geboren wurde, war sie achtzehn.

Sie trafen sich vor dem Mauerbau?

Ja. Berlin war in vier Sektoren geteilt, aber noch nicht getrennt. Und in der Nacht vor dem Mauerbau musste meine Mutter sich dann zwischen ihrer Mutter im Osten – mein Großvater war im Krieg gefallen – und meinem Vater im Westen entscheiden.

Sie blieb in Westberlin.

Sie hatte ja zwei gute Gründe: Sie liebte meinen Vater und sie liebte die Freiheit.

Aber war das nicht schwer für Ihre junge Mutter?

Und wie. Das ging auch nur mit dem Versprechen, dass mein Vater ihre Mutter herüberholen würde. Was er wenig später auch tat. Er besorgte einen Fluchthelfer – die es in Studentenkreisen nicht so selten gab –, der die geheimen Wege zwischen Ost und West kannte. Mit gefälschten Papieren wurde meine Oma Hilde in den Westen geholt, wo ihr neues Leben begann.

Und als 1989 die Mauer fiel?

Für jeden mit einer ostdeutschen Biografie war das ein Moment, der größer als groß war. Ich arbeitete als Reporter und war ohnehin in Berlin. Wir besaßen doch noch so viele Tanten, Onkel, Schulfreunde meiner Mutter in Ostberlin: ein spektakuläres Wiedersehen.

Eine These: Ungarn, Ostdeutschland. Es ist kein Zufall, dass diejenigen, die unter sozialistischen Diktaturen geprägt worden sind, sich heute als demokratiefeindlich erweisen.

Die Wende in Ungarn und Ostdeutschland hat die Bevölkerung doch selbst herbeigeführt; die revolutionäre Energie kam von innen, nicht aus Amerika. Wir erleben heute viele freiheitsliebende ostdeutsche Politikerinnen und Politiker – und die Mehrheit der Ostdeutschen wählt nicht rechts. Nein, diese monokausale These teile ich nicht.

In Ungarn sind alle oppositionellen Zeitungen verschwunden. Macht Ihnen das Angst?

Angst? Keiner meiner Aggregatzustände enthält dieses Gefühl.

Sie bleiben Optimist. Ihr Freund und Kollege, der verstorbene Publizist Frank Schirrmacher, hatte ein weniger zuversichtliches Bild von der Zukunft. Wie würde er heute reagieren?

Frank war wie ein großer Bruder. Er verfiel nicht nur in apokalyptische Stimmung, er war auch fröhlich und neugierig. Das hat uns verbunden. Wir hatten einmal den Plan, ein Interview mit einem Menschenaffen zu führen, dem man die Gebärdensprache beigebracht hatte. Dieser Affe – ein Bonobo – sei auf dem Stand eines Fünfjährigen, schrieb der Forscher über sein Sprachexperiment. Frank und ich wären nach Amerika gereist, um mit dem Bonobo zu kommunizieren. Aber der Forscher hat uns das nicht erlaubt.

Was würde Schirrmacher heute tun?

Ich glaube, Frank würde heute noch weniger schlafen. Diese Gegenwart hätte ihn inspiriert, aufgewühlt, aufgeputscht und zu höchster Schaffenskraft getrieben.

Fehlt er?

Ich vermisse ihn. Er fehlt.



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Gabor Steingart (rechts) und Frank Schirrmacher (links) mit Angela Merkel und Bernd Neumann 2005 in Berlin (© Michael Kappeler/AFP via Getty Images).


Gabor Steingart, geboren 1962, war 20 Jahre beim „Spiegel“ mit Stationen in Leipzig, Bonn, Berlin und Washington D.C. Ab 2010 „Handelsblatt“-Chefredakteur sowie Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Handelsblatt Media Group (2013–2018). Sein kostenloses Morning Briefing gibt es unter: www.gaborsteingart.com


Interview: Konstantin Alexiou

Fotos: Media Pioneer Screenshot

           Lüder Lindau | herr lindau

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Die Markthörigkeit der Institutionen

Ein Künstler ohne Galerievertretung ist den Museen und Kunstvereinen nicht viel wert

Nur wer sich auf dem Kunstmarkt durchsetzt, wird langfristig Erfolg haben - das ist eine gültige Formel, weswegen sich die Künstler und Künstlerinnen gezwungen sehen, sich rasch eine der begehrten Galerievertretungen zu sichern, statt nur eine institutionelle Laufbahn anzustreben. Ohne Galerie fehlt nicht nur das Künstler-Management für eine kontinuierliche Sichtbarkeit. Erst wer auf dem Kunstmarkt reüssiert, wird für Ausstellungen in Institutionen relevant. Ohne Galerie ist ein Künstler den Museen und Kunstvereinen nämlich leider nicht viel wert.

Die Institutionen wollen daran beteiligt gewesen sein, wenn ein neuer Name auf dem Markt entstanden ist, deswegen bevorzugen sie für ihr Programm die Galeriekünstler. Es soll sogar Kuratoren und Kuratorinnen geben, die zuerst nach der Galerie des Künstlers fragen, bevor sie sich das Werk anschauen und die Ausstellungsvita durchlesen. Kein Scherz. Man braucht gar nicht viel zu reisen: Die angesagte Galeriekunst wird für Gruppen- oder Soloshows bald an die Kunstvereine und Museen ganz in der Nähe seines Wohnorts geliefert.

Und keinen freut es mehr als den erfolgreichen Kunsthändler, wenn sein Plan sozusagen wieder einmal aufgegangen ist, die Institutionen einen neuen Künstler seiner Galerie zirkulieren lassen in Ausstellungen in von Steuergeldern betriebenen Kunstvereinen und Museen – was dessen Marktwert zügig steigert – oft ohne klare Qualitätskriterien benennen zu können. Davon profitieren nur ganz wenige Künstler und Künstlerinnen – und die profiliertesten Galeristen. The winner takes it all, das gilt im Kunstbetrieb mehr als woanders.

Die Kunstkritik kann nicht viel dagegen ausrichten, als Korrektiv hat sie ausgedient oder sie verbündet sich selbst mit den kommerziellen Tonangebern. Das theorieaffine Kunstmagazin „Spike“ aus Berlin quartierte sich bei der Documenta 14 in Athen sogar direkt neben der renommiertesten Galerie ein, um sein neuestes Heft zu präsentieren – und nicht etwa bei den austragenden Museen. Das war unmissverständlich eine Verbeugung vor dem kommerziellen Kunstbetrieb. Seht her! Wer bestimmt unseren Diskurs? Wer liefert unsere Künstler und Künstlerinnen? Der Markt.

Aber vor allem die von öffentlicher Hand geförderten Institutionen sollten nicht Spekulationspartner der Galeristen sein, um gemeinsam auf die materielle und immaterielle Wertsteigerung eines Künstlers in der Zukunft zu setzen. Wo bleiben dabei ihre Unabhängigkeit und ihr Bildungsauftrag?

Wie gerne würde man hören, ein Museum habe die Werke eines Künstlers ohne Galerie direkt aus dem Atelier angekauft, weil es an deren künstlerische Qualität und gesellschaftliche Relevanz glaube. Das kommt kaum vor.

Man könnte fast schon sagen, die öffentlichen Institutionen sind die Zuarbeiter der Galerien geworden. Natürlich sind sie – oft unterfinanziert – bei Transport- und Versicherungskosten abhängig von Galerien und von privaten Leihgebern. Aber allein das ist nicht der Grund, warum sie die erfolgsversprechenden Kunsthändler zwischenschalten. Es ist die Deutungshoheit des Marktes und die Ausstrahlung des Kapitals, denen sie sich ergeben. Und sie glauben dabei, sie hätten die Zügel weiter in der Hand.

Wenn man das Kapital im institutionellen Feld aber derart gewähren lässt und dessen Kraft adelt, schnappen die mit dem größten Kapital „den großen Häusern die besten Ausstellungen weg“, wie das Kunstmagazin „Monopol“ stürmisch die private Kunstsammlerin und Ausstellungsmacherin Julia Stoschek dafür lobte. Die ‚besten‘ Künstler und Künstlerinnen zu küren, haben die Institutionen dem Markt überlassen; ihr Absegnen wirkt dabei fast nur noch als Sicherung für die Gewinnmaximierung des Galeristen.

Das aber ist kein Naturgesetz. Die Institutionen sollten mit Selbstermächtigung und eigenem Entdeckergeist vorgehen und den Markt nicht komplett assimilieren. Umdenken werden sie ohnehin müssen: Die attraktivsten Galerien für die Museen und Kunstvereine sind heute nämlich diejenigen, die sich an den internationalen Messen beteiligen. Nur scheitern die Galeristen ohne Kapital im Rücken an diesen teuren Kunstmessen beim Versuch, auch den institutionellen Erwartungen zu entsprechen. Die Museen und Kunstvereine werden mit kleinen, regional agierenden Galerien arbeiten müssen, wenn sie nicht nur die ein paar Dutzend weltweit präsenten unterstützen wollen - wenn sie nicht den internationalen Kunstmärkten gehorchen wollen.


Text: Konstantin Alexiou

Kunstmarkt Museum Kunstverein Kunstkritik

Galerist auf der Erfolgswelle

Jan Kaps ist international präsent und zeigt aktuell Alan Michael

Köln. Einen erstaunlichen Lauf hatte Jan Kaps in den letzten Jahren. In nur fünf Jahren gelang es dem Kölner Galeristen, an den wichtigsten internationalen Kunstmessen teilzunehmen. Auf der Nebensektion „Statements“ der Art Basel war Kaps im Juni dieses Jahres, im Herbst wird er zum ersten Mal bei einer Sektion der Pariser Fiac dabei sein. Auch bei der Londoner Frieze wurde er zugelassen. Etwas scheint der junge Galerist richtig zu machen. Nun eröffnet er sogar eine Dependance in Mexiko-Stadt. Für sein Künstlerprogramm bekommt er großen Zuspruch. Das Improvisierte seiner Galerie wirkt charmant und unkonventionell. Der Kunstmarkt liebt die jungen trendsetzenden Galerien.

Peppi Bottrops gestische und geometrische Kohlebilder gehören zu Kaps’ Angebot; seine Galerie vertritt den gegenständlichen Maler Tobias Spichtig, den Bildhauer Jean-Marie Appriou und Schriftsteller Mark von Schlegell. Avantgardistisch hätte man vielleicht früher zu ihnen gesagt, heute sagen manche „Cutting Edge Art“. Die neuen richtungsweisenden Optiken und Grenzüberschreitungen.

In seinen beiden Räumen zeigt Jan Kaps aktuell den Maler Alan Michael. Für seine realistischen Bilder nutzt der Künstler (Jahrgang 1967) fotografische Vorlagen: London People in den Straßen sind darauf zu sehen. Es gibt Bezüge auf Pop Art und historische Verknüpfungen. Schrift trifft auf gerasterte Malerei, welche die Motive neu kontextualisiert. Auch Pop-Texte werden kombiniert – in den leuchtenden Bildern entstehen erzählerische Sequenzen. Seine Konzeptvideos mit Found Footage spannen ebenso ein Netz von öffentlichen sozialen Räumen und kulturellen und historischen Verweisen.

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Für den Glasgower Alan Michael ist es die erste Soloschau in der Galerie (Preise zwischen 8000 und 15000 Euro). Für Jan Kaps gilt es jetzt, den Aufwind zu nutzen, um seine Galerie weiter zu etablieren, ohne die schwierigen Kunstmärkte zu unterschätzen. Die Investitionskosten steigen immer weiter, wenn man zu den Top-Messen geht. Nach vielen Schließungen in den letzten Jahren ist seine Galerie wirklich die Erfolgsmeldung aus Köln.


Text: Konstantin Alexiou

Zuerst erschienen in Kölnische Rundschau, 10.8.2018, S. 14.

Foto: Alan Michael, Courtesy Jan Kaps Galerie.

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Datenbank für die Geschichte der Art Cologne

Wissenschaftler stellen neue Seite über die Entwicklung der Kunstmesse vor


Köln. Digitale Datenbanken sind ein hilfreiches Werkzeug. Nicht nur, um riesige Mengen von Daten systematisch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie können auch auf bisher unerforschte Zusammenhänge hinweisen und einen Beitrag zur wissenschaftlichen Recherche leisten.

Bei einem Symposium an der Universität Köln wurde nun ein neues Online-Tool vorgestellt, das der Internationalisierung des Kunstmarktes am Beispiel der Art Cologne nachgeht. Initiatorin des im März 2017 gestarteten Projekts ist die Juniorprofessorin am Kunsthistorischen Institut Nadine Oberste-Hetbleck. „Mapping the Art Market“, den Kunstmarkt kartografieren, lautete der Titel der international besetzten Tagung.

Wie hat sich die von Hein Stünke und Rudolf Zwirner als Kölner Kunstmarkt ins Leben gerufene Art Cologne entwickelt? Welche Galerien waren beteiligt? Anschaulich lässt sich das im „Art Gallery GIS Cologne“ verfolgen und als Diagramm und Karte visualisieren. Aus den ersten 30 Jahren der 1967 gegründeten Messe haben die Kunsthistorikerin und ihr Team bisher über 5000 Datensätze erfasst. Die Informationen kommen aus den Messekatalogen und vom Kölner Zentralarchiv ZADIK.

Die Ergebnisse: Bis Anfang der 1980er Jahre waren ausländische Galerien in nur überschaubarer Zahl an der Kunstmesse beteiligt. Neben der Kölner Galerien spielten die Münchner früh eine Rolle. Interessant auch: 1983 war noch keine New Yorker Galerie dabei; ein Jahr später aber bereits sieben.

In Zukunft sollen Interviews mit Galeristen, und die Möglichkeit die Messekataloge als PDFs einzusehen, die Datenbank ergänzen. Zudem werden die Kojenpreise aufgelistet.

Eingeladen zum Launch waren Wissenschaftlerinnen wie Christina Bartosch von der Uni Wien - und Catherine Dossin: Sie entwickelt eine Datenbank über den französischen Markt und historische Ausstellungen mit Künstlerinnen.

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Bei der Gesprächsrunde ging es um Fragen zum Copyright von Abbildungen, und der nicht immer einfachen Finanzierung der Projekte. Einig war man sich, dass die Datenbanken nur eine quantitative, keine qualitative Forschung leisten können. Für die digitale Archivierung der Kunstgeschichte sind sie ohne Frage relevant. Denn ein wichtiger Teil der Kunstgeschichte ist nun mal die Marktgeschichte.

 

Weitere Informationen unter: www.aggc.uni-koeln.de


Text: Konstantin Alexiou, zuerst erschienen in Kölnische Rundschau, 26.6.2018, S. 14.

Foto: Universität zu Köln

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Menschen des 21. Jahrhunderts

Galerist Julian Sander zeigt Fotografien von Sean Hemmerle


Köln. Frontal abgelichtet hat er sie – ganz ohne Anweisungen, nur so, wie sie sich selbst präsentieren wollten. Es sind die normalen Menschen, die Sean Hemmerle in Afghanistan und im Irak fotografiert hat. In den Jahren 2002 und 2003 bereiste der Amerikaner beide Länder. Nach den Terroranschlägen des 11. Septembers, die er ebenfalls dokumentiert hatte, und die USA zum Anlass nahmen, in den Irak einzumarschieren, wollte der Fotograf der anderen Seite ein Gesicht geben: den Unschuldigen, ihrem Alltag, ihrem Selbstverständnis. In ihrer gewohnten Umgebung zeigen sie sich selbstbewusst, oder aber auch um Würde ringend in zerstörten Gegenden. Im Ganzkörperporträt und in schwarz-weiß aufgenommen sind Sean Hemmerles Fotografien unmissverständlich eine Referenz auf August Sanders Werkserie „Menschen des 20. Jahrhunderts“. Für die hatte der einflussreiche deutsche Fotograf umfangreich seine Typologie der Berufsgruppen angelegt. Auch Hemmerle markiert seine Porträtierten mit ihrer Tätigkeit.


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Geboren 1966 in Arizona, hat Sean Hemmerle in den Achtzigerjahren selbst bei der US-Army gedient, einen Namen machte er sich zunächst als Fotograf zeitgenössischer Architektur und Publizist. Seine Werke befinden sich heute in der Sammlung des Museum of Modern Art in New York.                                      

Dem aktuellen Präsidenten gewidmet

„Er hat August Sanders Werk genau studiert, es regelrecht aufgesogen“, erzählt sein Galerist Julian Sander, der die Fotografien im Moment ausstellt. Hemmerles Bilder seien ein „Fuck you!“ an die damalige Bush-Regierung gewesen. Man konnte sich ja nicht vorstellen, dass es einen noch fürchterlicheren Präsidenten geben würde – jetzt sei es dem aktuellen gewidmet, zitiert er den bei New York lebenden Fotografen. Einen einzelnen Abzug bietet Sander für 2500 Euro an, ein Block aus fünf mal fünf Porträts kostet 58000 Euro.                                                                                                                         

Im vorletzten Jahr hatte der Galerist, der ein Urenkel August Sanders ist, sein Geschäft von Bonn nach Köln in das Gebäude der Sander-Stiftung verlegt: „International weiß man mich jetzt besser zu verorten“, so sein bisheriges Fazit. In diesem Jahr nahm Julian Sander zum ersten Mal an der Art Cologne teil, auch dort präsentierte er Arbeiten von Sean Hemmerle.                                                                                        

Eine Publikation zu dessen August Sander-Hommage, die an den Beginn unseres Jahrtausends mit Krieg und Terror eindrucksvoll, nicht reißerisch, erinnert  – und die wie die Ausstellung den Titel „Them“ trägt – , kann in der Galerie und im Buchhandel für 39,90 Euro erworben werden.


Bis 19.5., geöffnet Di bis Fr 12 – 18 Uhr, Sa 12 – 16 Uhr, Cäcilienstraße 48.



Text: Konstantin Alexiou, zuerst erschienen in Kölnische Rundschau, 1.5.2018, S. 9

Foto: Sean Hemmerle, aus der Serie “Them”, Quelle: Galerie Julian Sander

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Nagel Draxler is coming back with a permanent gallery space in Cologne

Our first opening will take place on

18 April 2018

with an exhibition of new works
by New York artist Egan Frantz.

Saskia Draxler and Christian Nagel are pleased to announce the opening of Nagel Draxler’s new premises in Elisenstraße 4-6 in Cologne.

The gallery was founded by Christian Nagel in Cologne in 1990 and represents artists including Kader Attia, Heimo Zobernig, Martha Rosler, Andrea Fraser, Mark Dion, Joëlle Tuerlinckx, Stephan Dillemuth, Anna Fasshauer and Luke Willis Thompson. Currently we run two gallery spaces at Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. In recent years Cologne activities of Nagel Draxler offered two to three exhibitions per year in temporarily rented spaces. In addition, the gallery runs the project space „Travel Agency” (Diko Reisen, Komödienstraße 48 in Cologne), which will be continued.

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By coming back with a permanent gallery space in Cologne, we acknowledge a decade long resurgence of the city as a strong art world center. Today Cologne and Berlin are the two most important places for art in Germany. Along with the established generation of galleries, a younger scene is growing in Cologne. The revival of the iconic avant-garde fair Art Cologne brings the world’s most important players of the art market to the Rhineland every April. Here you can also find a uniquely strong network of brilliant institutions such as Museum Ludwig Cologne, K21 Düsseldorf, Museum Abteiberg Mönchen Gladbach, Kunstmuseum Bonn,…a.o., as well as a very lively ‘Kunstverein’-culture of international importance.

Similarly to Nagel Draxler’s two Berlin spaces, the new premises in Cologne will be designed by Roger Bundschuh Architects (who are currently building the new Berlin headquarters of Suhrkamp Publishing House).

Our first opening will take place on April 18th, 2018 with an exhibition of new works by New York artist Egan Frantz. On May 25th, we will present Martha Rosler with the exhibition “1981: The year the future began“, where the artist examines the geopolitical consequences of US foreign policy commenced by the Reagan administration.




Text: Pressemitteilung/press release Galerie Nagel Draxler, Köln/Berlin

koelngalerien nageldraxler koelnduesseldorf

DAS RHEINLAND STÄRKEN

Galerist Thomas Rehbein verspricht sich neue Sammler von der Art Düsseldorf


Köln. Euphorisch klingt Thomas Rehbein nicht gerade, wenn es um seine Bilanz auf der neuen Art Berlin Mitte September geht. So richtig will der Kölner Galerist aber nicht mit der Sprache herausrücken. „Sagen wir mal so“, sagt er: Die Hauptstadt sei nun mal ein schwieriger Markt für Kunst. Man bekomme dort die Aufmerksamkeit der Kuratoren – die Kaufkraft aber sitze nach wie vor im Rheinland.

Ein bisschen schien es auch so, dass die Berliner Messe – eine Kooperation mit der Art Cologne – über Nacht aus dem Boden gestampft wurde, damit die Koelnmesse sich bereits jetzt als verbündet positioniert gegen die drohende Konkurrenz im Rheinland durch die neue Art Düsseldorf; obschon sich Art-Cologne-Chef Daniel Hug mit Berlin schon länger in Verhandlung für eine gemeinsame Messe befunden haben soll. Ob sie eine Zukunft hat, bleibt zu bezweifeln, fast zu konventionell fiel sie für die Kunsthauptstadt aus, kaum außereuropäische Galerien waren beteiligt.

Thomas Rehbein will auch der Art Düsseldorf  eine Chance geben – an der Messe ist mit 25,1 Prozent die Schweizer Gesellschaft MCH beteiligt, die Mutterfirma der Art Basel, der weltweit wichtigsten Messe. Dass sie mit ihrer Ausstellerliste bereits jetzt Strahlkraft besitzt und die Art Berlin in den Schatten stellt, überrascht also nicht: Acht New Yorker Galerien, darunter der Großgalerist David Zwirner, werden in Düsseldorf dabei sein, außerdem internationale junge Galerien, und klug ausgewählte Kölner und Düsseldorfer wie Hans und Max Mayer. Insgesamt nur 80 Geschäfte – klein, aber fein.

In seinem Geschäft präsentiert Thomas Rehbein gerade eine Ausstellung mit Pauline M’barek (Jahrgang 1979). Die Künstlerin, die in Hamburg und an der Kunsthochschule für Medien in Köln studierte, untersucht unsere taktile und optische Wahrnehmung und wie sie in Material übersetzt werden kann. Ihre tiefen Eingrabungen am Strand konserviert M’barek mit Gips: Es entstehen organische Skulpturen umhüllt von feinkörnigem Sand und Muschelresten – anmutig sind sie im Ausstellungsraum verteilt. Eine vielversprechende Künstlerin, sagt Rehbein, die auch mit Video arbeitet und bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Ihre Arbeiten bietet er für 1.500 bis 5.200 Euro an.

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Internationalität allein sei nicht ausschlaggebend, dämpft der Galerist jegliche voreiligen Schlüsse über die Art Düsseldorf ab. Die MCH Group betreibe gutes Marketing, ob es sich für die rheinischen Galeristen aber auch finanziell niederschlagen werde, solle man lieber erst abwarten.

Bald wird man wissen, ob die neue Messe im Rheinland den kommerziellen Erfolg hat, oder ob es für die internationalen Galerien “einmal und nie wieder” heißt. Mit dem hochkarätigen Programm stehen die Vorzeichen jedenfalls optimal. Langfristig würde sie der Art Cologne schaden, auch wenn die im Frühjahr stattfindet – das weiß auch Rehbein. Noch tut er eine Bedrohung jedoch als Spekulation ab. Die Art Cologne, an der er selbst jedes Jahr teilnimmt, sei eine traditionsreiche Marke, die nicht so leicht zu erschüttern sei. Und er fügt hinzu: „Wir müssen uns professionell verhalten und neue Sammler generieren, um das Rheinland weiter zu stärken.“


Relikte, Thomas Rehbein Galerie, bis 25. November 2017, geöffnet Di bis Fr 11-13 Uhr und 14-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr, Aachener Straße 5, 50674 Köln.


Art Düsseldorf, 17. bis 19. November 2017, Preview und Opening am 16. November, Areal Böhler, Hansaallee 321, 40549 Düsseldorf.


Text: Konstantin Alexiou

Abbildung: Ausstellungsansicht Pauline M’barek, Foto: Simon Vogel, Quelle: Thomas Rehbein Galerie.

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Malerei um der Malerei willen

Kölner und Düsseldorfer Galerien begehen mit „DC Open“ den Saisonstart

Köln. Zum neunten Mal startete am Abend „DC Open“, das gemeinsame Wochenende von rund 40 Kölner und Düsseldorfer Galerien - gleichzeitig wird damit der Saisonstart in der rheinischen Kunstszene eingeläutet. Und wie immer gilt es für die Galeristen, ihr vielleicht attraktivstes Angebot des Jahres zu offerieren: Die Eröffnungen im September zählen bekanntlich zu den Highlights im Rheinland und locken viele Kunstliebhaber (und hoffentlich auch Sammlernachwuchs) in die Läden.

Diesmal lohnt sich ausnahmsweise als erstes ein Blick nach Düsseldorf: Die legendäre Galerie Konrad Fischer, die die gesamte Region geprägt hat, feiert mit einem Rückblick nämlich ihr 50. Jubiläum. In der Ackerstraße im Stadtteil Flingern hat Galerist Rupert Pfab größere Räume bezogen und weiht sie mit Bogomir Ecker ein. Der Bildhauer und Installationskünstler präsentiert Objekte, die Sehen und Hören ansprechen und denen naturwissenschaftliche Überlegungen zugrunde liegen. Mit seiner Installation von 1988 hat Ecker gewissermaßen unsere überbordende technologische Gegenwart vorausgeahnt. Preise zwischen 20.000 und 200.000,- Euro (bis 4.11.).   

Um die Ecke in der Birkenstraße zeigt die Düsseldorfer Galeristin und DC Open-Mitbegründerin Linn Lühn reduzierte quadratische Malereien und damit korrespondierende Fotografien von Johannes Wohnseifer. Ihm geht es dabei um Blickverweigerungen; auch macht er den Bildträger selbst zum Thema (Preise: 3.500 bis 14.000 Euro, bis 14.10.).

Jetzt der lohnende Blick nach Köln: Der Kunsthandel Michael Werner präsentiert neue Bilder des zuletzt mit amerikanischen Retrospektiven gekrönten Markus Lüpertz. Es ging ihm bei seiner Malerei immer nur um die Malerei selbst - um Farbe, Form, Komposition - , zitiert die Galerie ihren streitbaren Malerfürsten, Inhalte seien in seinen Werken nicht von Belang. Schon gar nicht formuliere er irgendwelche politischen Ansprüche. Bei Werner sind daher stille Arrangements mit mythologischen Figuren wie Orpheus und Eurydike in Mischtechniken zu sehen. Die Preise liegen zwischen 60.000 und 190.000 Euro (bis 28.10.).

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Bei Martin Kudlek in der Schaafenstraße weiß man gar nicht, ob gerade auf- oder abgebaut wird: Einen Baucontainer mit Schutt hat Franz Burkhardt selbst hergestellt und in den Galerieräumen installiert. In dieser inszenierten Umbruchsituation stellt der Künstler Bleistiftzeichnungen mit erotischen Motiven aus. Inspirieren ließ er sich dabei von Abbildungen alter Bücher und aus Erotikmagazinen der 50er und 60er Jahre - humorvoll kommentiert hängen die Blätter in einer dichten Salonpräsentation. Kostenpunkt: ab 1.400 Euro. Laufzeit bis 21.10.

Im Kölner Norden hat das Duo Warhus Rittershaus seinen Stammkünstler Ben Cottrell zu dessen vierter Einzelausstellung in die Galerie eingeladen. Diesmal bespielt der Brite zusätzlich den Projektraum des Galerienhauses An der Schanz und entwickelt ein Gesamtkunstwerk aus Installation und Collage, um seine Lieblingsthemen Okkultismus, Mystizismus und die Verehrung des Weiblichen in den Raum zu öffnen. Eine seiner Collagen auf Leinwand von 2015 wird für 9.000 Euro angeboten (bis 21.10).

Art Berlin verspricht Umsatz

Markus Lüttgen sitzt mit der Galerie seit einiger Zeit in der Elisenstraße am Appellhofplatz und eröffnete heute mit seinem Künstler David Jablonowski. Dessen aufgetürmte Tech-Installationen untersuchen die Mechanismen unserer (visuellen) Kommunikation (bis 28.10).

Einige Kölner Galeristen bereiten sich in diesen Tagen auf die in der nächsten Woche beginnende Art Berlin vor. Die neue Berliner Messe ist eine Kooperation mit der Kölnmesse und verspricht, eine einträgliche Veranstaltung in der Hauptstadt zu werden. Ob das am schwierigen Standort Berlin gelingt, bleibt abzuwarten. Den Galeristen wäre es zu wünschen, denn in fast jeder Woche meldet der internationale Kunsthandel neue Galerieschließungen.


DC Open, Öffnungszeiten: Sa 12-20 Uhr, So 12-18 Uhr.


„Okey Dokey“ - das soll der Lieblingsspruch des Düsseldorfer Galeristen Konrad Fischer gewesen sein und schmückt nun als Name die neue Parallelveranstaltung zu DC Open. Das Konzept: Neun junge Galeristen aus Köln und Düsseldorf laden internationale Kollegen ein, die mit einer Kuratorin entscheiden, welche ihrer Künstler sie hier zeigen: Die gastgebenden Geschäfte aus Köln sind u.a. Jan Kaps, DREI, Ginerva Gambino, aus Düsseldorf u.a. Max Mayer und Lucas Hirsch. Aus dem Ausland gekommen sind: Miguel Abreu Gallery, New York, Park View, Los Angeles, Édouard Montassut, Paris u.a. Weitere Infos unter: www.okey-dokey.show


Text: Konstantin Alexiou, am 9./10. September erschienen in der Kölnischen Rundschau, S.43


Foto: Markus Lüpertz, “Märkische Allee II”, 2017 © VG Bild-Kunst, Bonn

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Wilde Kreaturen

Die Galerie Rompone lässt 15 „Angry Boys“ agieren

Köln. „Angry Boys“ heißt die laufende Ausstellung der Galerie Rompone im Belgischen Viertel – 15 internationale männliche Künstler versammeln sich hier zu einem Abriss von Stilweisen und künstlerischen Interpretationen. Damit markiert Galeristin Claudia Cosmo ein Pendant zu ihrer im letzten Jahr kuratierten Gruppenausstellung „Der Flug der Königinnen“, bei der ausschließlich weibliche Künstlerinnen über die immer noch geringe Rolle von Akteurinnen in der Kunstwelt sinnierten.

Als erstes springen zwei Werke des prominenten Enfant terrible Jonathan Meese ins Auge. Sein blasses Pferdewesen - versehen mit einem typisch zusammengesponnenen Nonsense-Titel - hat der „Kunstdiktator“ dick aus der Tube ausgedrückt und verspachtelt (Kostenpunkt für die Meeses jeweils 16.000 Euro).

Der Niederländer Wouter van Riessen porträtiert den aufgrund seiner deformierten Gliedmaßen als „Elefantenmensch“ bezeichneten Joseph Merrick in Acryl auf Holz. Surrealistische Verschmelzungen von Möbeln mit weiblichen Körperteilen zeigt der Italiener Giuliano Sale. Es gibt temperamentvolle Zeichnungen des Autodidakten Michele Bubacco, glasierte Keramiken des Kölners Bernd Hoffmann und farbige geometrische Abstraktionen in Mischtechnik von Timo Behn. Die Preise liegen zwischen 400 und 2600 Euro.

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Kleinteilige Präsentation

Mit „Rompone“ will Claudia Cosmo für einen „Bruch“ mit Erwartungen und neumodischen Kunsttrends einstehen. Der Name ihrer Galerie ist aus dem Italienischen entlehnt. Keine digitalen Spielereien oder kopflastige Konzeptkunst, so das Credo, sondern klassische organische Kunst in den traditionellen Gattungen Malerei, Skulptur und Zeichnung.

In der Brüsseler Straße ist die deutsch-italienische Galeristin und Journalistin Cosmo seit 2016, gegründet hat sie ihren Laden 2013. „Die Arbeit als Galeristin ist herausfordernd!“ sagt sie. Mittlerweile habe sie aber einige deutsche und italienische Sammler, die sich für ihr Programm interessieren.

Ihre 15 wilden Jungs zeigen eine durchaus turbulente, hier mal mehr, dort mal weniger handwerklich gelungene Vielfalt von Stilen, die sich letztendlich um das Porträt herum arrangiert. Eigensinnige Mannsbilder gibt es in dieser kleinteiligen Präsentation einige zu entdecken.


Bis 12.8., geöffnet Fr 14-19 Uhr, Sa 13-17 Uhr und nach Vereinbarung, Brüsseler Straße 31.


Text: Konstantin Alexiou

Zuerst erschienen in Kölnische Rundschau, 18.07.2017, S.12.

Foto: Photography Jan Bauer / Bureau Jonathan Meese

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